Gabriele Hartl. Künstlerisch-handwerkliche Ader

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  • Gabriele Hartl im Porträt

Gabriele Hartl. Medizinstudium und Tischlereilehre

Text und Fotos: Reinhard A. Sudy

Dr. Gabriele Hartl bei ihrer Arbeit in den Werkstätten von Kamper Handwerk + Bau. © 2015 Reinhard A. Sudy

Ihre künstlerisch-handwerkliche Ader hat die promovierte Medizinerin Dr. Gabriele Hartl bereits in der Mittelschule entdeckt. Sie hat sich nach dem Studium für Kreativität und Handwerk entschieden und die Tischlerei- und auch die Vergolderin/Staffiererin-Lehre abgeschlossen.

Ihre Kindheit und Jugendjahre verbrachte Dr. Gabriele Hartl in der Kärntner Landeshauptstadt. Das Bundesrealgymnasium Klagenfurt-Viktring mit seinen Schwerpunkt-Angeboten in der musikalischen und auch in der Bildnerischen Erziehung erkannte und förderte ihre Neigung zur Malerei und präzisen handwerklichen Arbeit. „Schon während der Mittelschulzeit hat mir ein Professor nahegelegt, etwa Bildrestauratorin zu werden“ erinnert sich Dr. Hartl an ihre Schulzeit. Bilder zu malen ist heute noch ihre Leidenschaft, auch wenn die Familie mit den beiden Kindern und der Beruf nur selten Zeit dafür übrig lassen. Neugierig hören die fünfjährige Marie und der drei Jahre alte Ben ihrer Mutter eine Zeitlang zu, bevor sie sich wieder ihren Spielsachen zuwenden.

 

Doch das Schicksal geht manches Mal eigenwillige Wege. Da Dr. Hartl nach der Matura nicht in die Akademie der bildenden Künste Wien aufgenommen wurde, entschied sie sich für ein Medizinstudium. In ihrem technischen Verständnis, ihrer Fingerfertigkeit und ihrer Genauigkeit sah sie zum Beispiel einen Vorteil für die unfallchirurgische und orthopädische Arbeit „Nach den ersten Studienjahren in Wien studierte ich in Graz weiter, wo ich 2003 promovierte. So interessant ich das Medizinstudium auch fand, meine Liebe zu künstlerisch-handwerklichen Tätigkeiten war letzten Endes aber größer“ erzählt Dr. Hartl, die auch im Grazer zu Hause für die handwerklichen Arbeiten zuständig ist. In einem Ferialjob während ihrer Studienzeit sammelte sie Erfahrungen bei einem Restaurator, später arbeitete sie als Gehilfin bei der Kunsttischlerei Simon in Mariatrost, wo sie den fachmännischen Umgang mit Schellackpolitur lernte. Da ihr klar geworden war, dass sie nicht als Medizinerin arbeiten wollte, machte sie sich nach dem Abschluss des Studiums auf die Suche nach einer Tischlerei-Lehrstelle.

 

Frau Dr. packt an

Und Dr. Hartl bekam ihre Chance beim Unternehmen Kamper, Handwerk + Bau, das 2013 den Firmensitz von Hart bei Graz ins südsteirische Tillmitsch verlegte. Das tägliche Pendeln macht der 39 jährigen Dr. Hartl nichts aus, die heute gleich zweifache ‚Gesellin‘ ist:  Nach der Tischlerei- Lehrabschlussprüfung 2006 hat sie nämlich 2009 noch die Ausbildung im Lehrberuf Vergolderin und Staffiererin abgeschlossen und sich zu einer Expertin für alle Klein- und Feinarbeiten entwickelt. Martin Kamper, der Geschäftsführer des Unternehmens, beschreibt seine akademische Mitarbeiterin als flexibel und loyal: „Sie greift überall mit an und ist sich für keine, auch schwere Arbeit zu schade.“ Es war übrigens sein Vater Hans Peter Kamper, der Dr. Hartl bei ihrer Vorstellung um eine Lehrstelle vom Fleck weg einstellte.

An Veränderung denkt sie nicht. Dazu ist ihre Arbeit zu vielfältig und herausfordernd, wie die Vergoldungs-Arbeiten für das Casino Wien oder für die Luxushotelkette Mandarin Oriental, aktuell in München. Und gelegentlich gibt es kurzfristig überraschende Aufgaben für Dr. Hartl, zum Beispiel eine Fahrt nach London, mit einer Lieferung für das weltbekannte Kaufhaus Harrods, oder nach Ibiza.

Erfolgreicher Fotorealismus

„Da ist es nicht immer einfach, Familie und Job unter einen Hut zu bringen“ lächelt Dr. Hartl, und es bleibt ihr wenig Zeit für sportliche Aktivitäten wie laufen oder schwimmen und für die Malerei. „Ich liebe es zu malen und Gegenstände möglichst realistisch wiederzugeben, ich male sie auch von Fotos ab“ begeistert sich Dr. Hartl. Genauigkeit und Kreativität lagen ihr immer schon. „Das kann ich nicht nur in meinem Beruf umsetzen, auch in meinen Bildern zeigt sich das“ erklärt Dr. Hartl ihre zu Hause aufgehängten Bilder: Gegenständlich, fotorealistisch, surreal zeigen ihre Arbeiten alltägliche Gegenstände wie eine Schere mit einer Tube Uhu oder eine Flasche Bier mit einer Zigarettenschachtel. „Einige Bilder hängen bei Freunden und Bekannten, einige sind im Keller gelagert“ erzählt sie weiter „und bei kleineren Ausstellungen, wie bei Firmenfeiern, aber auch gemeinsam mit dem österreichischen Künstler Herbert Wallner in Bad Aussee und im Casino Graz konnte ich meine Arbeiten präsentieren.

Großformatige, gegenständlich-fotorealistische Malarbeit von Gabriele Hartl. © 2015 Reinhard A. Sudy

Über ihre Wünsche für die Zukunft gefragt muss Dr. Gabriele Hartl zuerst ein wenig nachdenken. Besonders freut sie sich darauf, einmal wieder mehr Zeit zum Malen zu haben. Sie ist aber auch offen für Neues und findet eine Malerei-Ausbildung an der Ortweinschule oder die Meisterprüfung für das Handwerk der Tischlerei durchaus reizvoll. „Und manches Mal geht mir kurz durch den Kopf, doch die ärztliche Ausbildung fortzuführen“ meint sie noch, bevor sie sich wieder ihren Kindern widmet.

 

 

Stand: Dezember 2015.

Gekürzt veröffentlicht: Eine Könnerin mit Staffelei und (ohne) Stehoskop. In: AERZTE Steiermark. Das Magazin der Ärztekammer Steiermark. Ausgabe November 2015. Seite 12 - 13.

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