Designer Theodor Anastasato

Der Jungdesigner sammelt in London Erfahrungen bei Vivienne Westwood

Text und Interview: Hedi Grager

Fotos: Privat

Jungdesigner Theodor Anastasato.

Theodor Anastasato ist Jungdesigner und arbeitet seit September 2008 für die englische Modedesignerin Vivienne Westwood. Ich habe ihn bei einem seiner „Heimaturlaube“ in der Steiermark kennen gelernt und war begeistert von seinem souveränen Auftreten, seiner liebenswürdigen Höflichkeit und seinem Willen, mit seiner Herrenmode international bekannt zu werden.

 

G’sund: Du wurdest 1983 in New York geboren. Wo bist Du aufgewachsen?

Anastasato: Ich habe als Kind ein wenig Zeit in der Karibik, in Israel und in Griechenland verbracht. Mein Vater war geschäftlich viel unterwegs und wir sind ihm überall hin gefolgt. In den Kindergarten und zur Schule bin ich aber in Österreich gegangen. Ich glaube, ich war vier Jahre alt, als meine Mutter wieder nach Österreich gezogen ist und hier blieb ich bei ihr und meiner Großmutter, bis ich achtzehn war. Meine Mutter lebt jetzt noch in Graz, mein Vater auf der Insel Mykonos.

 

G’sund: Du hast mir erzählt, dass Du mit 16 Jahren gemodelt hast aber nie daran dachtest, Modedesigner zu werden – eventuell Schauspieler. Wie kamst Du aber dann darauf, Modedesign zu studieren?

Anastasato: Herrje, das stimmt. Irgendwie bin ich zu einem Casting für die Life-Ball Modenschau in Wien gekommen und bin dort für zwei belgische Designer gelaufen. Danach kam ich zu einer Agentur und habe ungefähr ein Jahr lang gemodelt. Der Kontakt mit der Modewelt war zwar ziemlich kurz, aber er hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ich war fasziniert von allem, was sich so hinter der Bühne abspielte. Auf dem Laufsteg hat man eine gewaltige Präsenz und das war für mich eine mit dem Schauspielen vergleichbare Sensation. Was mich allerdings letztendlich auf Modedesign gebracht hat war wahrscheinlich die Frage nach Schönheit und das Konzept vom Eindruck. Damit meine ich vor allem das Auftreten der Menschen in der Gesellschaft oder für sich allein und wie man als Individuum über seine Erscheinung definiert wird und sich selber definiert. Ich finde es spannend, durch konstruierte Manipulation einen Charakter entstehen zu lassen. Der Grad zwischen Verkleidung und Mode interessiert mich sehr – wann ist man angezogen, wann verkleidet? Ist der Träger des Gewandes sich einer Verkleidung bewusst oder wie authentisch ist er? Der soziale Kontext sagt viel über die Art eines Menschen sich anzuziehen aus. Aber wie weit ist der Eindruck, den wir auf Begegnete hinterlassen, manipulierbar? Wen ziehen wir an, mit dem was wir anziehen, und wen stoßen wir ab? Gibt es neutrale Mode? Diese Fragen beschäftigen mich und beeinflussen meine Arbeit, denn Schönheit hat wenig mit der Banalität der Dekoration zu tun. (schmunzelnd) Und vielleicht war es auch ein bisschen Zufall, dass ich mich dafür entschieden habe. In meinem Grundausbildungsjahr hat mir der Gegenstand Modedesign irgendwie am besten gefallen.

 

G’sund: Du bist ein Jahr nach der Matura nach London gegangen auf eine Kunstdesign- Schule, in der Malerei, Keramik, usw. gelehrt wird. Wie kamst Du überhaupt auf die Idee, nach London zu gehen?

Anastasato: Eine Freundin war gerade aus London zurückgekommen und hatte dort ein sogenanntes Foundation Year an einer Kunst- Universität absolviert. Sie erzählte mir von all den verschiedenen Kunstkursen, die man dort belegen konnte. Damals war ich gerade vom Bundesheer als untauglich befunden worden und dachte mir, ich hätte nichts zu verlieren und wollte es einmal ausprobieren. Ich hatte das Glück, in London bei einer lieben Freundin meiner Familie wohnen zu können.

 

G’sund: Wie gefällt Dir das Leben in London?

Anastasato: Sehr gut. Es ist oft furchtbar anstrengend und ich verdrehe oft die Augen, weil so vieles nicht klappt, ewig dauert odereinfach nur unmöglich teuer ist; aber es ist eine großartige Stadt. Ich empfinde es als ein großes Privileg, hier leben zu können. Aber Graz sehe ich als mein Zuhause und bin immer sehr froh, wenn ich wieder ein bisschen Zeit hier verbringen darf. Die Lebensqualität ist nämlich ohne Zweifel in Österreich um ein vielfaches höher.

 

G’sund: Wie kamst Du zu Vivienne Westwood? Ich glaube Du erzähltest, dass Du während des Studiums schon ein Praktikum bei ihr gemacht hast.

Anastasato: Ja, ich habe ein Praktikum bei Vivienne Westwood gemacht und bin dann während meines Studiums in Kontakt mit meinen ehemaligen Mitarbeitern geblieben. Schließlich habe ich mich erneut beworben und ein Angebot bekommen.

 

G’sund: Was machst Du schwerpunktmäßig bei Ihr, wofür bist Du verantwortlich?

Anastasato: Ich kümmere mich hauptsächlich um die Accessoires der japanischen Lizenzen. Das heißt, ich entwerfe verschiedene Produkte, vom Regenschirm bis zur Sonnenbrille – insgesamt 15 Kategorien – die in Japan unter unserem Namen vertrieben werden. Jede Saison stelle ich eine Mappe mit eigenen Entwürfen und Bildern von existierenden Produkten (wie eine alte Sonnenbrille, die ich wegen ihres Rahmens schön finde und der Produktionsfirma als Beispiel zur Orientierung gebe) zusammen und füge eine große Auswahl an Drucken bei. Später wird dann entschieden, was wir weiterentwickeln und welcher Druck dafür verwendet wird – es ist eine sehr farbenfrohe Angelegenheit. Zusätzlich assistiere ich Vivienne und ihrem Mann Andreas bei der Modenschau in Paris – da wird jede Hilfe gebraucht.

 

G’sund: Wie können wir uns die Tage vor einer großen Modeschau vorstellen?

Anastasato: Lange. Oft schläft man gar nicht. Viele Entscheidungen können und sollten erst im letzten Moment unter viel Druck getroffen werden. Und Organisation kann nur bis zu einem gewissen Grad betrieben werden. So läuft es zumindest bei uns. Ich bin dann immer ganz erstaunt, wie wunderbar es dann doch geklappt hat. Aber ich muss zugeben, dass das meine Lieblingsarbeit ist – die Vorbereitung der Show. Es ist für mich das spannendste und wunderbarste Ereignis.

 

G’sund: Was ist Dein großes Ziel? Du musst für Dein Diplom eine Herrenkollektion machen. Wann wirst Du damit beginnen?

Anastasato: Ich habe mein Studium vorerst auf Eis gelegt, um mich ohne zusätzlichen Stress auf eine Sache konzentrieren zu können. Ich habe schon vor, mich selbstständig zu machen, aber vielleicht wird das niemals nötig sein. Mein wirklich großes Ziel ist Ausgeglichenheit und Glück. Es hört sich so esoterisch an, aber das ist mein Ziel. Oder zumindest den Zustand des Glücklichseins immer wiederzufinden, denn er vergeht schließlich auch wieder – aber das ist ja natürlich. Und der Rest ergibt sich dazwischen.

 

G’sund: Hast Du eigentlich ein Vorbild?

Anastasato: Ich glaube nicht wirklich an Vorbilder im herkömmlichen Sinn. Es ist nie gut, etwas als Beispiel herzunehmen und sich in jeder Hinsicht daran festzuhalten – so bleibt man selber auf der Strecke. Aber es gibt viele Menschen zu denen ich aufschaue und die ich bewundere. Sie beeinflussen mich alle auf irgendeine Weise. Was das Gute und die Liebe in mir beeinflusst, kommt aber schon von meiner Familie, vor allem von meiner Großmutter.

 

G’sund: Fehlt Dir eigentlich Deine Familie?

Anastasato: Natürlich. Aber wir sehen uns regelmäßig und telefonieren sehr oft. Durch die Entfernung habe ich aber auch ein ganz neues Verhältnis zu meiner Familie aufgebaut. Ich weiß sie auf ganz andere Art viel mehr zu schätzen und genieße die gemeinsame Zeit viel viel mehr, wenn ich sie dann sehe.

 

G’sund: Bleibt Dir Zeit für Freunde? Hast du viele neue Freunde in London gefunden?

Anastasato: Ich habe Freunde an vielen Orten. Das entspricht der heutigen Situation, in der jeder irgendwie irgendwo lebt oder studiert. Meine Generation scheint Dank der Zugänglichkeit des Auslandes ziemlich international zu sein. Also vielleicht sollte ich Bekanntschaften sagen – meine richtigen Freunde leben in Graz und London, aber ich fühle mich ihnen gleichermaßen verbunden.

 

G’sund: Was würdest Du jungen Menschen raten, die auch gerne im Ausland studieren oder arbeiten würden?

Anastasato: Es steht ihnen ja kaum etwas im Wege. Ich würde allerdings wirklich abwägen, wie groß das Verlangen ist, ins Ausland zu gehen und warum man es tun möchte. Langeweile sollte kein Grund sein. Es besteht schon auch eine Art Trend, ins Ausland zu gehen. Ich bereue es nicht, aber ich weiß, dass ich in Österreich genauso glücklich geworden wäre, nur anders eben. Und zu Hause ist es ja doch am schönsten!

 

Kontakt: www.anastasato.com

Veröffentlicht: Theodor Anastasato. In Gsund. Die besten Seiten der KAGes. Nr. 62 Juni 2009. Seite 52 - 53.

Quelle: www.gsund.net.

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