Dagmar Koller

„Ich koche sehr gerne und meine Küche ist auch mein Labor“

Text und Interview: Hedi Grager

Fotos: Privat

Dagmar Koller mit ihrem jüngsten Sohn Jakob. Foto: Privat
Während andere Kinder mit Puppen oder Matchbox Autos spielten, bekam Dagmar Koller mit elf Jahren schon ihren ersten Chemiekasten und machte kleine Experimente. Später studierte sie Technische Chemie an der Technischen Universität Graz und lebt heute in England. Ihr Motto lautete immer schon: „Ich weiß nicht alles aber ich will alles lernen“.
 
G’sund: Ich muss dich gleich mal auf Deinen Namen ansprechen.
 
Dagmar Koller: (lacht) Natürlich wurde ich immer wieder auf meine Namensgleichheit mit der Sängerin und Tänzerin angesprochen. Mit 14 Jahren ist es mir am Passamt sogar passiert, dass mich der Beamte fragte: „... und wie heißt Du wirklich?“ Da war es schon von Vorteil, dass die Künstlerin Dagmar Koller in England nicht bekannt war.
 
G’sund: Du hast schon als Kind gerne experimentiert und hast mit 11 Jahren schon einen Chemiekasten bekommen?
 
Dagmar Koller: Ja, das machte mir einfach unheimlich viel Spaß und ich habe kleinere Experimente auch ohne „Verwüstungen“ geschafft. Ich hatte eine Chemieprofessorin, sie hieß übrigens Knall, die mich sehr unterstützt hat. Ab der fünften Klasse im Gymnasium nahm ich auch an der österreichischen Chemie-Olympiade teil.
 
G’sund: Du bist dann während Deines Studiums zur Weiterbildung nach England gegangen.
 
Dagmar Koller: Ich machte im Rahmen des Leonardo-Programms der Europäischen Union für den Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung ein Praktikum in Winsford, südlich von Manchester. Dort arbeitete ich bei einem Forschungsprojekt für Analytische Chemie mit.
 
G’sund: War diese „technische“ Sprache im englischen nicht ein Problem?
 
Dagmar Koller: Natürlich musste ich sehr viel lernen und natürlich gab es auch einige „Lacher“. Einmal, auf die Frage, was ich denn tue, sagte ich „I am screwing around all the time“, also ich arbeite mit dem Schraubenzieher. Das Wort screwing bedeutet im englischen aber auch „vögeln“. Du kannst Dir das Gelächter meiner Kollegen vorstellen.
 
G’sund: Hat die deutsche Sprache im wissenschaftlichen Bereich eigentlich eine Bedeutung?
 
Dagmar Koller: Ja, sogar eine sehr große Bedeutung. Deutsch ist in der wissenschaftlichen Welt sehr wichtig, internationale Journale sind in englisch und in deutsch, technisches Deutsch wird auf englischen Unis unterrichtet. Ich selbst spreche deutsch, englisch, französisch und ein mickriges Latein.
 
G’sund: Bist Du nach Deinem „Studentenjob“ schon in England verblieben? Was waren Deine ersten Arbeiten?
 
Dagmar Koller: Meine ersten Arbeiten beschäftigten sich mit Probeneinlass-Systemen für die Massenspektromtetrie, ICP-MS um genau zu sein. Dabei ging es vor allem um Entwicklungsarbeit, das heißt, man hat sozusagen im Verborgenen vor sich hingearbeitet.
 
G’sund: Du hast eigentlich sehr schnell Karriere gemacht.
 
Dagmar Koller: Ich arbeitete mich hoch, vom Application Scientist (für ICP-MS) zum Senior Scientist und dann zum Product Manager. (lächelnd) Ich war damals ohne Familie und hatte so sehr viel Zeit zum Arbeiten. Schlussendlich war ich dann

Communications Manager.

 

G'sund: Aber dann, lerntest Du ...

 

Dagmar Koller: Ja, dann lernte ich meinen jetzigen Partner kennen und bekam auf einmal gleich zwei Söhne, damals bereits im Alter von 6 und 8 Jahren, das war 1998. Auch da gibt es eine lustige Geschichte. Wenn ich damals nach Hause telefonierte und deutsch sprach, dachten meine zwei Buben, die eben nur englisch sprachen, dass ich eine Geheimsprache verwende.

 

G'sund: Du hast dann in die Firma Deines Mannes gewechselt?

 

Dagmar Koller: Ich bin dann von Manchester nach Cambridge gezogen, das war vor ungefähr acht Jahren. Ich wollte auch wieder Karriere machen, aber dann kam unser gemeinsamer „Nachzügler", der nun fünf Jahre alt ist.

 

G'sund: Wie war das dann mit Karriere und Beruf?

 

Dagmar Koller: So wirklich lässt sich Karriere mit Beruf meines Erachtens nicht vereinbaren. Daher arbeite ich nicht ganztags und so funktioniert es recht gut. Ich arbeite als Consultant bei Oakland Innovation (www.oakland.co.uk). Oakland ist Spezialist für Innovationsforschung und berät Großkonzerne. Wir helfen bei der Optimierung der internen Fähigkeiten, Erarbeiten Innovations- und Forschungskonzepte und suchen nach den richtigen Kollaborationspartnern. Wir sehen uns als Think tank, als eine Denkfabrik.

 

G'sund: Welches ist dein größter Coup?

 

Dagmar Koller: Das war sicherlich die Forschung und Vermarktung eines total neuen Massenspektrometers. Das ganze begann mit 2 Protoypten. Diese wogen jeweils 2 Tonnen, denn es handelte sich um ein hochauflösendes Gerät, das nicht nur ein vollkommen neues Riesenmagneten-Design beinhaltete, sondern auch spezielle Isotopenmessungen zuließ, für die es kein Buch oder sonstiges als Unterlage gab. Das war wirklich Arbeiten ohne Netz - total spannend. (Ein Spektrometer ist ein analytisches Instrument, das zur Aufspaltung von Licht in sein Spektrum und zur Messung der Linienintensitäten bei verschiedenen Wellenlängen dient. Ein Massenspektrometer funktioniert auf ähnliche Weise, aber es trennt Atome statt Licht in ein „Massenspektrum". Mit einem Massenspektrometer kann demnach die isotopische Zusammensetzung eines Elements sehr genau bestimmt werden.)

 

G'sund: Abgesehen davon, dass dies nach unwahrscheinlich viel Arbeit klingt, wie kann man sich die Arbeit ‚bei so einer Erfindung' vorstellen und was ist Dein Part dabei?

 

Dagmar Koller: Es beginnt - wie so vieles - mit einer Idee. In diesem Fall der Idee, ein neues Gerät zu bauen. Dazu setzen sich Ingenieure und Chemiker zusammen, es entstehen erste Zeichnungen, es wird experimentiert, virtuelle Modelle am Computer entstehen. Ab dem ersten Prototyp kommen dann Software-Experten dazu und versuchen Fragen wie „was kann der Prototyp jetzt, was ist noch zu verbessern, wie kann ich das Gerät anwendbar machen" zu klären. Wenn der erste „Arbeitszustand" erreicht ist, beginnt meine Arbeit. Es muss genauestens erarbeitet und definiert werden was so ein Gerät nun auch wirklich kann. Dabei muss eine Bandbreite an Proben vermessen werden und zusätzlich auch jegliche Funktionalität definiert werden - ähnlich wie bei einem Fitness-Check. Sobald diese Arbeit getan ist, geht man in den Verkauf. Hierbei arbeite ich dann als Product-Manager mit den ersten Kunden und ihren Proben-Analyse-Vorstellungen, die bei solchen Geräten schon oft auf einer Warteliste stehen. Weiters geht es natürlich auch darum, neue Kunden zu finden. Dazu besuche ich Konferenzen und arbeite mit lokalen Verkaufsorganisationen. Das heißt auch, dass ich viel reise und international Vorträge halte.

Sehr interessant für mich ist auch immer wieder zu beobachten, dass die Menschen und Studenten in Ländern wie Japan, China oder Korea sehr lernbegierig zu sein scheinen - während in Europa die Zuhörer, vor allem die Studenten, oft gelangweilter wirken - so, als ob man nicht zeigen dürfte, dass man was Neues hört.

G’sund: Wie sehen Deine Zukunftspläne aus? Kommst Du wieder einmal zurück in Deine Heimat?
 
Dagmar Koller: Ich kann mir schon vorstellen, nach all den Jahren in England wieder einmal woanders zu leben. Das könnte meine Heimat Österreich sein, aber ich könnte mir auch gut vorstellen, in Schweden oder der Schweiz zu leben. Besuchen würde ich gerne auch einmal Australien, da war ich noch nie.
 
G’sund: Wie hältst Du Dich fit bzw. was machst Du für Dich persönlich?
 
Dagmar Koller: Mein Sohn Jakob, jetzt fünf Jahre alt, hält mich natürlich schon auf Trab. Für mich sehr wichtig ist Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Ich koche auch sehr gerne - beispielsweise koche ich auch jeden Montag in der Schule für eine Gruppe mit sechs Schülern. Und auch beim kochen experimentiere ich sehr gerne - meine Küche ist auch mein Labor. Sportlich halte ich mich mit schwimmen fit, mache Yoga. Mit meiner Familie gehe ich campen. Meine Familie liebt campen - und ich liebe meine Familie und gehe halt mit …
„Ich koche sehr gerne und meine Küche ist auch mein Labor“. Foto: Privat
 

Dagmar Koller

  • Geboren: 16. 1. 1966
  • Wohnort: Burwell, Cambridgeshire
  • Beruf: Consultant Analyst
  • Sternzeichen: Steinbock
  • Familie: 1 Mann, 3 Buben (20,18 und 5)
  • Musik: alles was entspannend ist – z.B Ludovico Einaudi
  • Lieblingsbuch: Ein Kind unserer Zeit, Horvath
  • Hobby: Familie
  • Größtes Anliegen: dass meine Umgebung glücklich ist; „community matters“

 

Veröffentlicht: Dagmar Koller. Die Wissenschafterin machte ihr Hobby zum Beruf. In Gsund. Die besten Seiten der KAGes. Nr. 64 Dezember 2009. Seite 56 - 57.

Quelle: www.gsund.net.

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