Erwin Schwentner. Richter und Künstler
Text und Interview: Hedi Grager
Fotos: Hedi Grager
Erwin Schwentner wurde 1945 in Hitzendorf bei Graz geboren und beschäftigt sich seit 1980 intensiv mit Kunst, überwiegend mit keramischen Skulpturen. Er ist zweifellos ein sehr
interessanter Mensch: Ein Richter, der sich immer schon für die Psychologie interessierte und ein Künstler, der mit seinen Gestalten ironisiert, der das Konstruieren von Geschichten und das Absurde
liebt. Menschen ein bisschen an der Nase rumführen - das macht ihm Spaß.
Er bezeichnet sich selbst als extremen Menschen. Wenn ihm etwas taugt, taucht er schon sehr tief ein.
1994 erhielt Schwentner im Rahmen des Wettbewerbes zum Steirischen Kunstförderungspreis den Viktor Fogarassy Preis. Stolz ist er, dass in einer Ausgabe der Kunstzeitschrift „Sterz" 1998
ausschließlich seine Werke präsentiert wurden. Studienreisen und Ausstellungen führten ihn u.a. nach Rom, Mailand, Taiwan oder Peru.
Ich besuche Erwin Schwentner in seinem Haus am Grazer Gritzenweg, wo er auch sein Atelier untergebracht hat. In diesem überaus gemütlichen Haus mit einem wunderbaren Ausblick
besuchen ihn auch seine drei Kinder und sieben Enkelkinder sehr gerne.
Überall stehen und hängen seine Werke. Im Esszimmer, wo wir uns niederlassen, hängt ein Bild von ihm selbst, sein Kopf mitten unter seinen Kunstköpfen. Darunter eine Variation von Händen mit
verschiedenster Bedeutung. Auch der erste Mensch auf dem Mars steht in seinem Esszimmer.
Freundlich serviert er mir einen Kaffee, rührt ihn sogar um für mich. Es ist eine Gewohnheitsgeste, gesteht er mir, da er ihn seiner Frau auch so serviert. Ich spüre aber auch, welch unruhiger Geist
er ist. Sitzen bleiben fällt ihm schwer, und man hat das Gefühl, dass er mit seinen Gedanken schon wieder viel weiter denkt.
G'sund: War ihr künstlerischer Weg eigentlich schon in ihrer Kindheit abzusehen?
ES: Nein. Meine Kindheit war sozusagen unauffällig. Mein Vater war Techniker und hat sehr gut gezeichnet. Vor allem hat er wunderbar Klavier gespielt. Ich spiele
auch Klavier, aber leider nicht so gut wie er. Ich glaube ein phantasievoller Mensch zu sein, die habe ich aber von meiner Mutter mitbekommen. Gezeichnet habe ich immer gerne, aber dass ich Künstler
werde, nein, das war nicht abzusehen.
In meinen Studentenzeiten bin ich schon sehr gerne nach Wien gefahren. In der Grünangergasse war die berühmte Galerie Grünanger, die ich immer besuchte. Das hat mich schon interessiert. Da hätte ich
mir beinahe einen Rainer gekauft.
Aber ich bin nicht so ein Besessener, wie z.B. der Prof. Leopold. In einer kleinen Geschichte über ihn heißt es, dass seine Mutter ihm während seines doch längeren Studiums einen VW versprach, wenn
er mit dem Studium endlich fertig wird. Er soll darauf gesagt haben ‚Ich möchte keinen VW, ich möchte den Schiele, den sie in London gerade verkaufen‘.
G'sund: Also war es Jurist und Richter zu sein schon ihr „Traumberuf"?
ES: (lächelnd) Ja, das Jus Studium war schon das, was ich machen wollte. Aber ich habe mich auch immer für Psychologie interessiert. Mein Bruder war Psychologe und
mit ihm führte ich viele Gespräche über die Zusammenhänge zwischen Recht und Psychologie. Zu meiner großen Trauer ist er vor eineinhalb Jahren verstorben.
Ich sehe mir auch immer und überall die psychiatrischen Anstalten an. Meine Familie protestiert zwar, aber das ist für mich ein Muss.
G'sund: Deshalb sind Sie heute noch als Berater für die Landesnervenklinik Siegmund Freud tätig?
ES: Schon sehr früh habe ich als Jurist, der auch ein Gefühl für das Psychiatrische entwickelte, mit Beratungen begonnen. Bevor ich in der LSF damit anfing, habe ich schon Beratungen im Beratungszentrum für psychische und soziale Fragen, heute Granatengasse, gemacht.
G'sund: Wann begannen Sie sich dann wirklich für die Kunst zu interessieren?
ES: Ich war schon im Berufsleben, war schon Richter, als ich einen Kurs für Ton- und Keramikarbeiten und plastisches Gestalten auf der Volkshochschule gemacht habe. Als Abschlussarbeit haben alle Vasen oder ähnliches gemacht. Ich wollte aber etwas anderes machen und so machte ich eine Zahnbürste. Das war dann der Auslöser für meine intensive Beschäftigung mit Keramik, Plastik sowieso und Ton. Das war so um 1980.
G'sund: Ihre Figuren bringen mich auf die Frage ‚Sind Sie ein Menschenfreund‘?
ES: Ja, schon. Meine Objekte sind sehr stark karikierend, satirisch oder ironisierend - selten zynisch (setzt er noch mit einem Lächeln nach). Ich bin kein beißend
ironischer Mensch, extrem Bösartiges mag ich nicht. Ich habe noch eine gewisse Milde darin, ein Verständnis für die Menschen.
Schau'n Sie, es können auch Witz und Ironie etwas zum Wanken bringen, oft nachhaltiger als wenn man etwas ernst verdammt. So hat z.B. Maurizio Cattelan 2001 mit ‚Him‘ den Hitler im Filzanzug als eine
kindliche, kleine und unschuldig wirkende kniende Figur dargestellt. Ich meine, so macht man eher einen Mythos kaputt als wenn man nur schimpft.
G'sund: Sie machen sich sehr viele Gedanken?
ES: Ja, das tue ich. In meinen Serien stecken immer sehr viele Gedanken. Viele meiner Themen kommen während der Arbeit oder entwickeln sich. Aber es ist immer eine Ausgangsthese vorhanden.
G'sund: Wie kommen Sie zu Ihren Ideen?
ES: Wohin ich auch sehe, alles bringt mich auf neue Ideen. Das war bei mir schon immer so. Ich sauge Situationen sehr rasch auf, verarbeite sie, denke in Varianten.
G'sund: Was Ihnen bei Ihrer Arbeit als Richter sicherlich auch sehr geholfen hat?
ES: Ich erfasse Situationen sehr schnell. Es ist ganz wichtig zu sehen wo es langgeht und ich mache auch sehr schnell Vorschläge für Lösungen. Ich war z.B. acht Jahre lang mit Mietenrecht beschäftigt. Das war für mich eine sehr schöne und spannende Zeit. Da waren meine Protokolle nie sehr dick. Ich muss auf den Punkt kommen, dafür genügen einige Sätze (ich merke seiner Stimme an, dass er allein beim Gedanken an lange Akten ungeduldig wird). Und mit diesem Arbeitsstil konnte ich mir auch immer wieder Zeit für mich „erarbeiten". Ich hatte diesbezüglich einfach ein Talent, mich frei zu spielen.
G'sund: Und wie kommen Sie auf Ihre Objekttitel?
ES: Ich mache sehr gerne Sprachspiele. Ich habe aber keine fixen Titel, sie sind nur der Ausgangspunkt, können sich aber noch entwickeln.
Zum Beispiel bei meinen Kopfvarianten, die ich gemacht habe. Bei jedem Kopf steckt ein gewisses Thema dahinter. Beim Thema Militaristen gibt es den preussischen Pepitahelm - das ist schon sehr
witzig. Pepita ist ein Muster aus der Mode. Oder ein Kopf, bei dem man die Maske hochschieben kann, eine Maske aufgesetzt haben, hinter einer Maske verstecken - das ist alles sehr interessant und hat
schon etwas Psychologisches an sich.
G'sund: Warum haben die Frauen bei Ihnen immer ein so großes Dekolleté ?
ES: (er lacht laut) Die Brüste der Frau sind ja etwas Schönes und Wichtiges, die streiche ich heraus. Männer sind zu einem guten Teil auf Brüste fokussiert. Wenn ich die Wichtigkeit überbetone hinterfrage ich mich letztlich selbst. (er lacht wieder).
Das Lachen ist immer ein Thema bei mir. Leider ist es so, dass man häufig über andere lacht, andere auslacht. Deshalb habe ich eine Skulptur gemacht, wo jeder über die anderen lacht - das geht im Kreis und letztlich lacht man über sich selbst.
G'sund: Muss man als Künstler sozusagen auch üben?
ES: Ja, natürlich. Ich bin regelmäßig in unserem Kunstverein Centrum zum Aktzeichnen. Das ist wichtig, denn man bekommt dadurch mehr Gefühl für Körperformen. Wenn ich z.B. Hände ansehe, die ich vor 25 Jahren gemacht habe, sind diese unbeholfener als heute. In der Kunst ist neben der Routine auch sehr viel Übung dabei, das gehört dazu und macht auch Spaß.
G'sund: Haben Sie noch Zeit für Sport oder Hobbys?
ES: Ich sportle sehr viel, spiele Tennis und davor spielte ich sehr viel Fußball. Aber ich übertreibe meist, leider.
G'sund: Leben Sie gesund?
ES: Nicht wirklich. Meine Frau lebt sehr gesund und deshalb werde ich auch gesund ernährt (schmunzelt). Aber das ist ja auch eine Funktion der Frau, eine sehr
wichtige!
Früher kam es schon vor, dass ich, wenn meine Frau weg war, für meine Kinder wirklich Ungesundes eingekauft habe.
G'sund: Was ist Ihnen an anderen wichtig?
ES: Sie sollten möglichst offen sein und auch witzig sein können. Sie sollten eine ausgesprochen seriöse solidarische menschenfreundliche Grundhaltung haben, das ist mir besonders wichtig.
G'sund: Wie würden Sie sich selbst beschreiben?
ES: Ich bin humorvoll, nachdenklich. Übersensibel. Übersensibel sagt eh schon alles: empfindlich.
G'sund: Was treibt Sie an?
ES: Ich mache sehr Vieles sehr gerne, das treibt mich an. Das Gestalten, das Formen, das ist etwas so Wunderschönes. Wie wenn Kinder etwas bauen. Der eigentliche Reiz ist der Bau, das Herstellen. Wenn etwas fertig ist, ist es schon oft wieder uninteressant. Sicher man ist auch stolz darauf, aber das ist die nächste Ebene.
G'sund: Sie sind in Pension, arbeiten aber immer noch sehr viel. Also macht Ihnen ihr „Job" noch immer viel Spaß?
ES: Ich brauche die Arbeit, sie ist mir sehr wichtig. Deshalb mache ich auch meine Beratungen für die LSF weiter und bin seit kurzem im Menschenrechtsbeirat. Ruhe kann ich keine geben. Das Verhandeln hat mir immer Spaß gemacht, auch jetzt wieder für die KAGes.
PS: Gefreut habe ich mich über seine Anmerkung, dass er unsere Zeitschrift G'sund wirklich interessant findet.
Weitere Informationen:
www.schwentner.info