Production Designerin Karin Haase-Sehr
Production Designerin für Film, Music Videos und Werbung in Los Angeles sowie Gründerin und Creative Direktorin von 2121events: Umwelt- und sozialbewusstes Eventdesign
Text und Interview: Hedi Grager
Fotos: Privat, Reinhard A. Sudy
„Ich sehe mich immer sehr nüchtern, als jemanden, der einfach seiner Passion und Intuition folgt, darum ist Erfolg für mich nie eine Priorität gewesen. Nur manchmal, wenn mich Menschen, denen ich sehr vertraue und deren Meinung ich schätze, darauf aufmerksam machen was ich in meinem Leben geschaffen habe, realisiere ich, dass es doch wohl auch mit Erfolg zu vergleichen ist."
Karin Haase-Sehr verbrachte mit ihrem Mann ein paar ruhige Tage in Leibnitz bei ihrer Schwester Jutta und deren Familie. Auf der Veranda eines urgemütlichen Hauses sprechen wir
darüber, warum sie nach Amerika ging, über ihre großartigen Erfolge und ihr neues Projekt, das ihr so wichtig ist.
Mit 14 Jahren wusste Karin Haase-Sehr schon, dass sie unbedingt ins Ausland wollte, dass sie sich in Graz kreativ nicht entfalten konnte. Damals war New York ihre Traumstadt.
Die Welt erkunden
Karin Haase-Sehr begann in Graz Architektur zu studieren, interessierte sich aber mehr für Interior und Product Design, wofür in Österreich damals kaum eine Ausbildung angeboten wurde. Der Drang, die Welt zu erkunden, verschlug sie mit 19 Jahren erstmal für zehn Monate nach Paris, wo sie im ersten Pariser vegetarischen Restaurant jobbte, um sich den Aufenthalt zu finanzieren. Nach ihrer Rückkehr nach Wien - sie war gerade mal 21 Jahre alt - bekam sie das Angebot, in New York die Bauaufsicht über die Renovierung einer Wohnung zu übernehmen. So begann ihre Karriere im Ausland.
Product Designerin
Mittlerweile arbeitet sie seit 17 Jahren als freischaffende Production Designerin für Film, Musik Videos, Werbung und Interior Design. Sie hat mit Kunden wie Mercedes, Master Card, Samsung, Ikea, McDonald's, Nintendo und Künstlern wie Kevin Spacey, Christina Aguilera, Outkast, Justin Timberlake, Sting, Marilyn Manson, Robbie Williams, Whitney Houston oder George Michael weltweit gearbeitet.
G'sund: Hat sich New York dann wirklich für Dich als Deine Traumstadt gezeigt ?
Haase-Sehr: Es war eine ganz tolle Zeit für mich. Ich war ja durch meinen Job keinen Tag ‚Tourist' in New York und konnte die Stadt und die Menschen dadurch gleich als ‚fast Einheimischer' kennenlernen. Ich fühlte mich dort sofort zu Hause. Nach acht Monaten kam ich dann zurück nach Wien, da ich ein Angebot einer österreichischen Galerie hatte und Antiquitäten nach Amerika verkaufte. Aber ich fühlte immer, dass ich wieder nach Amerika musste.
G'sund: Du bist dann nach Los Angeles. Wie hat diese Stadt Dich empfangen?
Haase-Sehr: Los Angeles hat mich sehr gut aufgenommen. Ich hatte gleich zu Anfang ein schönes Erlebnis. Ich besuchte ein Möbelgeschäft in Hollywood und machte der jungen Besitzerin ein Kompliment, dass ich ihren Laden sehr cool finde. Ab dem nächsten Tag habe ich mit ihr zusammengearbeitet und als Partnerin einen zweiten Laden in Brentwood aufgebaut. Es war ein wirklich hipper Laden und wir hatten von Beginn an Kunden wie Michelle Pfeiffer, Meg Ryan, Daryl Hannah und auch viele andere Menschen vom Film. So bekam ich beispielsweise vom Schauspieler John Travolta das Angebot, das Kinderzimmer für sein erstes Kind zu gestalten.
G'sund: Du warst erst 24 Jahre alt, als Du erstmals in einem Film als Produktionsdesignerin mitgearbeitet hast. Kannst Du Dich noch an diesen Film erinnern ?
Haase-Sehr: Ja klar, er hieß „Inside the goldmine". Joshua Evans, der Regisseur, ist der Sohn der Schauspielerin Ali MacGraw und des Produzenten Bob Evans, als Produzent von ‚Godfather', ‚Chinatown' etc eine Legende in Hollywood. Ich hatte damals eigentlich noch keine Ahnung von Production Design und vom Film Business. Aber ich wusste, wenn ich etwas wirklich will, kann ich es auch machen. So war es dann auch. Es war schon eine sehr verrückte, aber vor allem eine sehr interessante Zeit für mich. Ich arbeitete beispielsweise auch beim Film „Swimming with Sharks" mit, der Kevin Spacey in Hollywood erstmals sehr viel Aufmerksamkeit brachte und ihm zu seiner Oscar nominierten Rolle in ‚The Usual Suspect' verholfen haben soll.
G'sund: Trotzdem bist Du nach ein paar Jahren wieder nach Wien zurück.
Haase-Sehr: Los Angeles kann natürlich auch eine sehr harte Stadt sein. Wenn man im Show Business arbeitet, ist man Intrigen ausgesetzt und braucht viel Kraft und
eine dicke Haut, um als junger Mensch da zu bestehen. Ich sehnte mich nach meiner Familie und brauchte eine Pause vom fantastischen aber auch gnadenlosen Hollywood. So kam ich zwischendurch wieder
zurück nach Wien. Ich arbeitete in der Werbung und machte erstmals Musikvideos. Das machte mir wirklich Spaß und ich wusste, dass ich das beruflich weiter machen möchte.
In dieser Zeit lernte ich auch meinen Mann kennen, und nachdem auch er als Regisseur den Wunsch hatte, nach Los Angeles zu gehen, gingen wir nach zwei Jahren gemeinsam wieder zurück.
G'sund: Das war in den späten 90er Jahren, in denen Musik Videos sehr populär wurden und Du sehr viele erfolgreich gemacht hast. Wie kann man sich beispielsweise Deine Arbeit als Production Designer für einen Werbefilm oder ein Musik Video vorstellen?
Haase-Sehr: Ja, ich konnte damals wirklich tolle Musikvideos machen und mit großartigen Künstlern arbeiten. So habe ich beispielsweise vier Musikvideos mit dem
Weltstar Withney Houston gemacht.
Ein Regisseur wählt persönlich sein Team, seine bevorzugten ‚Department Heads' aus, zu denen beispielsweise Kameramann, Production Designer, Stylist und andere gehören. Als Production Designer ist
man so etwas wie der Lead Designer, Szenenbildner und damit auch verantwortlich für die Umsetzung des Set Designs, die gesamte Ausstattung des Filmes und das Art-Department-Budget.
Bei den grossen Music Videos ging es damals hauptsächlich um den Look bzw. das Design, nicht so sehr um die Geschichte. So kam es, dass Regisseure oftmals ihren Designern absolut kreative Freiheit
ließen. Dies war für mich als Designer natürlich ein Paradies auf Erden und ich konnte mich kreativ sehr entfalten.
G'sund: Das alles klingt ja ein bisschen nach dem amerikanischen Traum.
Haase-Sehr: Ja, absolut, aber ich habe dafür auch sehr hart gearbeitet und sehr viel investiert. Du musst in einer so kurzen Zeit so wahnsinnig viel schaffen, musst unglaublich konzentriert sein, sehr effektiv denken und dich mit ‚Herz und Seele, Haut und Haar' 24 Stunden am Tag der Sache widmen. Ich habe sogar anfangs manchmal umsonst gearbeitet. Wenn das Budget nicht gereicht hat, habe ich meine eigene Gage dazu verwendet, um beispielsweise einen schöneren Bodenbelag, oder die teureren Möbel zu verwenden. Ich wollte perfekt arbeiten und perfekt sein.
G'sund: Aber Deine harte Arbeit wurde belohnt.
Haase-Sehr: Ja, es lohnte sich ab dem Zeitpunkt, wo gute und erfolgreiche Leute mich anriefen, um mit mir zu arbeiten. Ich konnte kreativ sein, konnte phantastische Videos machen, Regisseure ließen mich sehr selbständig arbeiten.
G'sund: Du arbeitest jetzt seit mehr als einem Jahr an einem neuen Projekt, an dem Dein ganzes Herz hängt.
Haase-Sehr: Ich habe 2008 ein neues Geschäft - www.2121events.com - für 'ecofriendly and socially conscious event design' (umwelt- und sozialbewusstes
Eventdesign), gegründet. Seit vielen Jahren schon ist mir Umweltbewusstsein sehr wichtig. „2121events" ist ein unabhängiges Design Studio und Beratungs-Unternehmen, spezialisiert auf anspruchsvolle,
umwelt- und sozialbewusste Gestaltung von Veranstaltungen, Interiors und Produkten, aber trotzdem mit einer starken Ausrichtung auf modernes ‚Cutting Edge' Design (cutting edge bedeutet innovatives
und modernes Design, aber anspruchsvoller und frecher).
Ich arbeite auch mit Non-Profit-Organisationen, Benachteiligten und Obdachlosen und versuche, mit sozialem Design ‚micro sustainable enterprises' mit aufzubauen. Mit meinem Projekt - www.stitchLA.org
- bringe ich obdachlosen Frauen aus dem Downtown Woman Center in Los Angeles bei, coole Handtaschen zu nähen. Ich hoffe sehr, dass dieses Projekt überlebt und zu einem erfolgreichen kleinen
Unternehmen wächst, das Hollywood inspiriert, lokale Produkte zu kaufen und Unterprivilegierten eine Chance auf Resolizialisierung bietet.
G'sund: Du machst bei der Veranstaltung „Opportunity Green 2009" in Los Angeles mit und bist für das Design und die Ausstattung zuständig.
Haase-Sehr: „Opportunity Green Business Conference" ist eine unheimlich interessante Veranstaltung, bei der die hellsten Köpfe aus Wissenschaft, Media, Design und Business der ‚Green Business Revolution' zwei Tage an der University of California, Los Angeles, referieren. Ich war sehr geehrt, als mich die Gründerin Karen Solomon heuer persönlich einlud, den Event als Creative Director und Design Lead zu leiten. Firmen wie Mini, Nike, Wallmart, BMW, Whole Foods, Proctor Gamble etc sind vertreten, um deren neueste Businessstrategien mit Focus Nachhaltigkeit und ‚Change for a better World' vorzutragen. Ich habe dafür ein umfangreiches Konzept erstellt, in welchem neuestes Design und Kunst den Event nicht nur zu einem visuellen Erlebnis erweitern und dabei neue Produkte vorstellen, sondern auf kreative Weise zu ‚Change' inspirieren. Damit ist eigentlich auch die 2121events Intention und Philosophie perfekt beschrieben.
G'sund: Was war beruflich Dein größter Erfolg und wer von den vielen Stars, die Du schon kennengelernt hast, hat Dich beeindruckt?
Haase-Sehr: Meine größten ‚konventionellen' Erfolge waren bis jetzt, bedingt auch durch die großen Budgets, die damals zur Verfügung standen, sicherlich die Musikvideos mit Whitney Houston und George Michael. George Michael war neben seiner Professionalität auch ein sehr angenehmer, entspannt arbeitender Mensch. Justin Timberlake, damals noch bei NSYNC, war ein lustiger, sympathischer und ungemein begabter Musiker. Als Mensch imponiert hat mir auch Christina Aguilera, denn sie hat mit 20 Jahren schon genau gewusst, was sie wollte und es auch mit größter Disziplin durchgefuhrt.
G'sund: Wie hältst Du Dich fit?
Haase-Sehr: Ich bin seit zehn Jahren passionierter Yogi, habe über Yoga auch mein Interesse zu Ayurveda entwickelt. Mittlerweile ist beides so sehr in mein Leben eingebunden, dass es ein Teil meiner Lebenseinstellung ist. Und wenn ich nicht morgens auf der Matte 'atme, stretche und meditiere', dann geh ich in der Früh in die Santa Monica Berge nicht weit von meinem Haus, auf einen kurzen 'power hike' (eine Stunde zügigst den steilen Berg ‚raufrennen') in der Natur mit Blick auf's Meer....
G'sund: Was würdest Du einem jungen Menschen raten, der ins Ausland gehen möchte ?
Haase-Sehr: Abgesehen von ‚alles ist möglich' würde ich sagen‚ ‚just do it' ist eigentlich worauf es ankommt - so banal es auch klingt. Dabei ist es meiner Meinung nach extrem wichtig, sich immer integer zu verhalten und authentisch zu bleiben.
Kontakt:
Geboren: 11. Juni in Graz
Wohnort: Santa Monica, Kalifornien
Beruf: Production/Interior/Event Designer
Sternzeichen: Zwilling
Familie: verheiratet mit dem Regisseur Kai Sehr
Musik: von Klassik bis ‚the Clash'
Lieblingsbuch: ‚Das Tibetische Buch vom Leben und vom Sterben' von Sogyal Rinpoche
Hobby: mein Leben, meine Arbeit, zu lernen, verstehen, teilen, geben und richtig gute High Heels
Größtes Anliegen: mich täglich weiterzuentwickeln und zu inspirieren.
Veröffentlicht: Karin Haase-Sehr. In Gsund. Die besten Seiten der KAGes. Nr. 63 September 2009. Seite 48 - 49.
Quelle: www.gsund.net.
Siehe auch Hedi Grager: Homebase Kitzeck. In: box. das südsteiermark magazin. boxportät. Ausgabe 50 Herbst 2011. Seite 16 - 71.