Lissabon. Zwischen Schwermut und Lebensfreude
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- Auf Entdeckungstour
- Lissabon. Ein erster Blick
Auf Entdeckungstour in der portugiesischen Metropole
Text: Reinhard A. Sudy
Fotos: Hedi Grager, Reinhard A. Sudy u. a.
Unter einem blass-blauen Himmel glänzt die Metropole der einstigen Handels- und Seemacht Portugal im strahlenden Sonnenlicht. Es ist Frühling in Lissabon: eine faszinierende Stadt mit großer Vergangenheit, Weltkulturerbe-Bauwerken neben modernster Architektur, geprägt von der Schwermut des Fado und einem pulsierendem Leben.
Der erste Eindruck
Wie ein Tor zum Atlantik liegt die Hauptstadt Portugals am nördlichen Ufer des mächtigen Rio Tejo, einst die Lebensader Lissabons. In die Flussmündung einfahrende Schiffe passieren zuallererst eine kleine Festungsanlage am Ufer des Stadtteils Belém mit einem mächtigen, 35 Meter hohen Turm. Dieser Torre de Belém gehört mit dem Mosteiro dos Jerónimos (Hieronymiten-Kloster) seit 1983 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Die beiden dicht nebeneinander liegenden und großartigen Sehenswürdigkeiten, einige Kilometer vor dem Stadtzentrum Lissabons, gehören zu den wenigen Bauwerken, die das verheerende Erdbeben 1755 weitestgehend unbeschadet überstanden haben. Das 300 Meter lange Hieronymiten-Kloster, aus hellem Kalkstein erbaut und reich verziert, beherbergt prunkvolle Sarkophage großer Seefahrer, wie den Vasco da Gamas, und portugiesischer Könige. In seinen Seitenflügeln sind heute das Marinemuseum und das Archäologische Museum untergebracht.
Wahrzeichen am und über den Rio Tejo
Unübersehbar sind die beiden Wahrzeichen Lissabons: die von den Einheimischen einfach ‚Ponte‘ genannte Ponte de 25 Abril über den Rio Tejo und Cristo Rei, eine 28 Meter hohe Christusstatue mit weit ausgebreiteten Armen. Ein Lift brachte mich auf den 82 Meter hohen Sockel, von dem ich einen wunderbaren Ausblick in alle Richtungen hatte. Über die weit gespannte und vom täglichen Verkehrsstau geplagte Ponte de 25 Abril ist Lissabon mit der Stadt Almada und den Badestränden am Südufer des Rio Tejo verbunden. Erst seit der Weltausstellung 1998 überspannt weiter flussaufwärts die Ponte Vasco da Gama den Rio Tejo, mit 17,2 km eine der längsten Brücken weltweit, auf der ich leider noch nicht gefahren bin.
Zu Fuß durch die Unterstadt „Baixa“
Erst zu Fuß aber wird der ganze Charme der eigenwillig-anmutigen und hügeligen Altstadt Lissabons spürbar. Die Unterstadt, der ebene und schachbrettartig anlegte Stadtteil Baixa, breitet sich zwischen drei der markantesten Plätze Lissabons aus: dem Praça do Comércio und den beiden nebeneinander liegenden Praça da Figueira und Praca de Dom Pedro IV, den Einheimischen eher als ‚Rossio‘ vertraut. Idealer Ausgangspunkt für meine erste Erkundungstour war der von Arkadengängen gesäumte aber zum Ufer des Rio Tejo hin offene, majestätische Praca do Comèrcio. Mitten auf dem Platz steht das Reiterstandbild von König José I. und an seiner Nordseite ging ich durch einen gewaltigen Triumphbogen, den Arco da Rua Augusta, ins historische Zentrum und die Fußgängerzone von Lissabon. Hier herrscht tagsüber in den Läden und Lokalen reges Treiben, am Abend wird es aber sehr ruhig. Am anderen Ende der Baixa warten dann am eher lauten Rossio die beiden traditionsreichen Cafés Suiça und Nicola auf Gäste. Ich setzte meinen Spaziergang nach einer Bica (Espresso) in der weiter nördlich anschließenden Flaniermeile der Prachtallee Avenida da Liberdade ein Stück weit fort, bevor ich in die Baixa zurückkehrte. Mit etwas Kondition oder einer der originellen Aufstiegshilfen lässt sich auch die Oberstadt zu beiden Seiten der Baixa erobern.
Auf in die Oberstadt „Bairro Alto“ und “Chiado“
Ich entschied mich für die gusseiserne, reich verzierte und 45 Meter hohe Turmkonstruktion des Elevador da Santa Justa. Seine hölzerne Fahrstuhlkabine brachte mich bequem in den höher gelegenen Stadtteil Bairro Alto auf der westlichen Seite. In den schmalen Straßen mit vielen kleinen Geschäften und originellen Läden geht es am Tag eher beschaulich zu. Am Abend ist Bairro Alto ein stimmungsvolles und beliebtes Kneipenviertel. Einen Abstecher brachte mich in den angrenzenden kleinen Stadtteil Chiado rund um die Einkaufsstraße Rua Garrett. Einst trafen sich hier Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle. Die vielen Buchhandlungen und das Café A Brasileira gibt es aber noch. Vor dessen Eingang sitzt heute eine Bronzeskulptur des portugiesischen Nationaldichters und ehemaligen Stammgastes Fernando Pessoa.
Castelo de São Jorge, Alfama und Santo António
Auf der anderen Seite und hoch oberhalb der der Unterstadt Baixa sind die alten Festungsmauern des Castelo de São Jorge unübersehbar. Meine Mühen des Aufstiegs wurden mit einem schönen Blick auf die Stadt und den Rio Tejo belohnt und ich begann, Lissabon ein wenig besser zu verstehen. An den Berghang schmiegt sich der mittelalterlich anmutende Stadtteil Alfama. Richtig Spass machte mir dann der Abstieg durch sein Gewirr von schmalen und verwinkelten Gassen, über steile Treppen und vorbei an versteckten Plätzen zurück an das Ufer des Rio Tejo, und später weiter zum Ausgangspunkt meiner Erkundungstour, dem Praca do Comèrcio.
Ich hatte das Glück, zufällig am Tag ihres Schutzheiligen Santo António durch die Alfama zu gehen. Die Bewohner waren gerade bei den letzten Vorbereitungen für das Straßenfest zu seinen Ehren und ich lernte ihre Lebensfreude und Freundlichkeit kennen. Überall hingen bunte Fähnchen und Lampions, an fast allen Ecken und vor vielen Hauszugängen waren Tische und Bänke aufgestellt, es wurde gegrillt und ich genoss die köstlichen Speisen und Getränke.
Ascensores y Elevadores de Lisboa
Nicht gerade gemütlich aber Romantik pur sind Lissabons alte Straßenbahnen (eléctricos) mit ihren Holzbänken und Messingbeschlägen. Ebenso noch in Betrieb, hilfreich und ein Muß für Nostalgiker sind die altertümlichen Aufzüge (ascensores y elevadores). Sie verbinden die tiefer gelegene Teile der Altstadt mit den höher gelegenen. Der Elevador da Santa Justa beispielsweise, auch Elevador do Carmo genannt, wurde 1902 eröffnet. Die gusseiserne, reich verzierte und 45 Meter hohe Turmkonstruktion steht in der Rua do Ouro. Seine beiden großen Fahrstuhlkabinen sind mit Holz dekoriert und Messingbeschlägen versehen. Den Standseilbahnen sehr ähnlich sind die Ascensores de Lisboa. Der Ascensor do Lavra ist die älteste unter ihnen und wurde bereits 1884 eröffnet. Auf einer Länge von 182 m überwindet sie eine Höhendifferenz von 43 Metern, bei einer maximalen Steigung von 25%.
Unterwegs mit der Eléctrico 28
Eine bequemere und originelle Art, Lissabons Stadtteile und einige Sehenswürdigkeiten kennenzulernen, ist eine Fahrt mit der alten Eléctrico 28. Diese berühmte Straßenbahnlinie führte mich vom Cemiterio dos Prazeres, einem interessanten, schachbrettartig angelegten Friedhof weit im Westen der Stadt, quer durch Lissabon bis in den Stadtteil Graça hinter dem Castelo de São Jorge. Bergauf und bergab ging es dabei durch die Stadtteile Bairro Alto, Baixa und die eng-verwinkelten und steilen Gassen der Alfama.
Noch etwas Zeit übrig?
Und sollte tatsächlich noch Zeit für Museumsbesuche oder Ausflüge in die nähere Umgebung sein, bietet sich so einiges an. Einiges davon steht auch noch auf meiner Wunschliste.
- Museu de Calouste Gulbenkian, das größten Museums der Stadt mit Teilen der Kunstsammlung des armenischen Ölmagnaten Calouste Sarkis Gulbenkian
- Museu Nacional do Azulejo (Kachelmuseum) im Convento da Madre de Deus
- Überbrückung des Alcântara-Tales durch das Aqueduto das águas livres (Aquädukt der freien Wasser), 1 km lang mit 35 Bögen
- Badeorte Estoril und Cascais, etwa 25 km westlich von Lissabon an der Atlantikküste
- Felsenkap Cabo da Roca , der westlichste Punkt des europäischen Kontinents, mit einem Leuchtturm hoch über dem Atlantik
- Ozeanarium, ein riesiges Seewasseraquarium mit einem gigantischen Glaszylinder
- Vasco-da-Gama-Turm, ein 145 Meter hoher Stahlfachwerk-Aussichtsturm, mit angedocktem Myriad by SANA Hotels im Parque das Nações (Expo 1998)
Lissabon online
www.visitlisboa.com | Turismo de Lisboa
www.clube-de-fado.com | Fado-Lokal Clube de Fado
www.srvinho.com | Fado-Lokal Senhor Vinho
Stand: Frühjahr 2015.
Gekürzt veröffentlicht: Bom dia, Lisboa! In: box. das südsteiermark magazin. Ausgabe 64 Frühling 2015. Seite 24 - 25.
Lissabon. Eine Stadt auf Hügeln und am Tejo
Text: Reinhard A. Sudy
Fotos: Hedi Grager, Reinhard A. Sudy
Im Herzen Lissabons
Hügelstadt mit Liften und Straßenbahnen
Eléctrico Nr. 28
Berühmt ist die Straßenbahnlinie Nr. 28, die an wichtigen Sehenswürdigkeiten vorbei quer durch die Stadt führt. Vom Cemiterio dos Prazeres, einem interessanten Friedhof im Westen der Stadt, führt die Strecke bergauf und bergab durch das Bairro Alto, die Baixa und weiter durch die verwinkelten und steilen Gassen der Alfama bis in das Graça-Viertel. Wichtig: Eingestiegen wird vorne, ausgestiegen hinten. Am Wochenende ist der Betrieb etwas eingeschränkt.
Vom Stadtzentrum führen die Straßenbahnlinien 24 und 25 zum Shopping Center in das Stadtviertel Amoreiras. Dieses sehr großzügig angelegte, beliebte Einkaufszentrum beeindruckt durch Eleganz und extravagante Architektur.
Stand: 2002. Geringfügig ergänzt und geändert am 28. Juli 2014.
Veröffentlicht: Lissabon und seine vielen Gesichter. Die Hauptstadt Portugals hat einen besonderen Charme. In: Gsund. Menschen helfen Menschen. Nr. 34 Juni 2002. Seite 36.
Schmökerecke. Lissabon mit Büchern entdecken
Gaby Wurster (Hg.). Lissabon
2014. Schmerzhaft-eigenwillger Fado und allgegenwärtige bacalhau-Speisen sind wohl untrennbar mit der portugiesischen Hauptstadt und einstigen Weltmetropole verbunden. Beide mag ich. Dass es in der Hügelstadt am Ufer des Tejo aber noch mehr zu entdecken gibt, zeigt der literarische Streifzug, der mit Fernando António Nogueira Pessoa beginnt und auch endet, der als der bedeutendste Lyriker der portugiesischen Moderne gilt. Ich tauchte ein in die Träume, Phantasien und teils vertrauten Erinnerungen der 28 Autoren. Ich folgte ihren Wegen durch ihre Stadt und erfuhr viel über das Leben der Menschen dort: Besonders angetan war ich zum Beispiel von der Strassenbahnfahrt der Maria das Dores und ihrer Begegnung mit dem einarmigen "Dichter" Boris Viana (Fado Menor von Sarah Adamopoulos), der Jugenderinnerung über "Belem, mein Land" von Vitor Serpa und der bedrückend-hoffnungsvollen Schilderung eines Flüchtling Schicksals von Erich Maria Remarque (Die Nacht von Lissabon).
Lissabon. Eine literarische Einladung.
Verlag Klaus Wagenbach. Berlin 2010. SALTO. 144 Seiten. Rotes Leinen. € 16,40.