Texte und Interviews: Hedi Grager
Fotos: Reinhard A. Sudy
Auf einer Bahnfahrt nach Wien lernte Hedi Grager 2003 Prof. Josef Pillhofer kennen. Gerne folgte sie seiner Einladung in sein Staatsatelier in Wien, das voll mit reduzierten Skulpturen und
Plastiken und Kopfporträts aus Bronze, edlem Holz und Marmor war. Es waren für sie immer besondere Begegnungen und Stunden mit dem Künstler, wenn er eigenhändig Tee zubereitete und mit ihr über seine
Kunst sprach.
Hier lesen Se über
- Erinnerungen an Josef Pillhofer
- "Ich bin ein Steirer"
- Fotogalerie. Erinnerungen
- Ausstellungen. 2021
- Bildhauergebäude des Bundes
Auf einer Bahnfahrt nach Wien lernte ich 2008 Prof. Josef Pillhofer kennen. Eigentlich war er es, der mich ansprach. In charmanter und humorvoller Weise unterhielt er mich und erst
im Laufe des Gespräches erkannte ich, dass ich einem der größten österreichischen Bildhauer gegenüber saß. Pillhofer ist einer der wohl bekanntesten Schüler und Freund Wotrubas. Gerne folgte ich,
einige Wochen später, seiner Einladung in sein Staatsatelier in Wien. Telefonate und weitere Besuche führten zu einer fast freundschaftlichen Verbindung, aus dem mein erstes Interview mit ihm
entstand.
Begegnungen voll Humor und Wärme
Es waren immer besondere Begegnungen und Stunden mit ihm, wenn er eigenhändig Tee für mich zubereitete und einschenkte und mit mir über Kunst sprach. Prof. Pillhofer war ein
Mensch, der sich bis ins hohe Alter seinen Charme, Wissensdurst und Humor bewahrt hat. Ich fühlte mich in seinem Atelier immer sehr wohl, für mich waren die Räume ein Wald voller großer und kleiner
Kunstwerke, Skulpturen und Plastiken, mit realistischen Porträtköpfen, Kopfskulpturen aus Bronze, edlem Holz und Marmor.
Pillhofer Halle in Neuberg an der Mürz
Ein großes Ereignis war die Eröffnung der Pillhofer Halle am 19. Juni 2008 in Neuberg an der Mürz - ein ständiges Museum - mit einem beeindruckenden Fest zu seinen Ehren und mit
phantastischen Arbeiten. Prof. Pillhofer zeigte dort seinen Freunden liebevoll-stolz die G'sund-Ausgabe mit meinem Artikel über ihn. Dabei entstand die Idee eines weiteren Interviews: allerdings
meinte Prof. Pillhofer, ich solle diesmal weniger über ihn als Person, sondern mehr über seine Kunst schreiben. Leider kam es nicht mehr dazu.
[2010 wurde die Halle auf Wunsch des Künstlers in Josef Pillhofer Skulpturenhalle umbenannt]
Von Journalisten, die bei ihren Recherchen auf mein Interview gestoßen waren und aus meinem Fotoarchiv Bilder benötigten, erfuhr ich von seinem Tod. So bleiben mir meine
Erinnerungen an einen der wichtigsten österreichischen Bildhauer, der 2010 mit 89 Jahren verstorben ist.
ORF Teletext vom 3.8.2010
"Der Bildhauer Josef Pillhofer ist 89-jährig in Wien gestorben.
Pillhofer galt als einer der wichigsten österreichischen Bildhauer und beschäftigte sich mit Grundsätzen und Möglichkeiten des Kubismus. Der Wotruba-Schüler suchte die konsequente Reduktion
bis zum Einfachsten. "Äußerlich wirklichkeitsnah würde also nicht wirklichkeitsnah bedeuten, nicht das Wesen der Erscheinungsform erfassen" erklärte Pillhofer sein Schaffen."
Trauer um einen väterlichen Freund
Josef Pillhofer hat mir tiefe Einblicke in die österreichische Bildhauerei ermöglicht, er hat sich mir persönlich aber auch in seiner Kunst auf wunderbare und unvergessliche Weise
geöffnet. Ich trauere mit seinen Angehörigen und Freunden um einen Künstler, einen Menschen, den ich nie vergessen werde.
Veröffentlicht: Erinnerungen an Josef Pillhofer. Einer der wichtigsten österreichischen Bildhauer. In: Gsund. Die besten Seiten der KAGes. Nr. 67 September 2010. Seite 62.
Quelle: Langfassung in www.gsund.net.
Ich sitze Professor Josef Pillhofer in seinem Staatsatelier in der Wiener Krieau gegenüber. In dieses kam ich durch einen romantisch verwilderten Vorgarten, wie durch einen Wald
von Skulpturen. Seine Atelierräume sind voll mit seinen großen und kleinen Kunstwerken, seinen reduzierten Skulpturen und Plastiken, realistischen Porträtköpfen, Kopfskulpturen aus Bronze, edlem Holz
und Marmor. Hier in dieser angenehmen Atmosphäre erzählt mir Professor Pillhofer mit charmantem Lächeln aus seinem erlebnisreichen Leben, das vor 87 Jahren begann.
G’sund: Herr Professor, ich habe gelesen, Sie sind in Wien geboren. Ich dachte aber, seit unserer Bekanntschaft bei einer gemeinsamen Bahnfahrt nach Wien immer,
dass Sie ein Steirer sind.
Pillhofer: Ich bin ein Steirer. Meine Mutter fuhr zwar zu meiner Geburt für zwei Tage nach Wien in ihr Elternhaus. Aber ich bin in Mürzzuschlag aufgewachsen und
habe mich immer als Steirer gefühlt.
G’sund: Sie sind inmitten von „Künstlern“ aufgewachsen. Ihre Mutter hat gemalt, Ihr Vater war Bahnbeamter und hat in der Eisenbahnermusikkapelle gespielt. Er
beherrschte sechs Instrumente. Und ein Onkel Ihrer Mutter, Nikolai Pavlovitsch, studierte einst an der Wiener Akademie, später in München, und war der Begründer der Kunstakademie in Sofia.
Pillhofer: Ich war 15 Jahre alt, als meine Mutter mich schon zu Ausstellungen mitnahm, zum Beispiel zur Ambrosiausstellung in Graz, die mich sehr beeindruckte.
Aber erst als mein Vater im gleichen Jahr mir eher zufällig ein Buch über den Bildhauer Wilhelm Lehmbruck schenkte, wusste ich, was es wirklich heißt, eine Skulptur zu schaffen. Lehmbruck war ein
Virtuose seines Handwerks.
G’sund: 1938 kamen Sie in die Kunstgewerbeschule nach Graz. Sie studierten Bildhauerei bei Prof. Wilhelm Gösser und Malerei bei Rudolf Szyszkowitz.
Pillhofer: Ich wollte ja eigentlich ein Zimmermann werden. Aber ich fragte mich immer: „Wozu brauche ich 40 verschiedene Eisen?“ In dieser Zeit traf ich auf den
Bildhauer Werner Seidl, der leider sehr früh im Krieg gefallen ist. Er war ein sehr guter Bildhauer und Lehrer. Von ihm stammt auch die Mozartbüste im Grazer Stadtpark.
G’sund: 1941 kam der Einrückungsbefehl für Sie und Sie mussten an verschiedenen Fronten kämpfen.
Pillhofer: Wir waren damals 40 Burschen, die bei der Stellung waren. Ich kam als Letzter nicht mehr dran und musste drei Wochen später nochmals antreten. Das war
mein Glück, denn keiner meiner Kameraden kam aus dem Krieg zurück. Ich kam zur Nachrichtengruppe und kam 1946 zuletzt aus russischer Gefangenschaft zurück.
G’sund: Sie waren dann von 1946–1947 wieder an der Grazer Kunstgewerbeschule, wo Walter Ritter, selbst ein Gösser-Schüler, anregte, dass Sie doch ein
Kunststudium in Wien machen sollen.
Pillhofer: Ich wechselte 1947 an die Akademie für bildende Künste nach Wien. Hier wurde ich von Fritz Wotruba unterrichtet, der mich in Richtung Kubismus
leitete. Er sagte mir immer: „Schau dir den Picasso an.“
G’sund: Ich habe gelesen, dass Sie auch beteiligt waren an der Wiederherstellung des Fassadenschmuckes der Wiener Staatsoper.
Pillhofer: Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden junge Bildhauer eingeladen, an der Beseitigung der Kriegsschäden mitzuarbeiten. Dort kam ich auch das
erste Mal mit Steinmetzarbeiten in Berührung, was für mich anfangs schon sehr schwierig war. Ich litt unter der schweren Arbeit und unter der Kälte und nach der Arbeit gingen wir wieder zurück in die
Akademie. Aber wir mussten natürlich auch Geld verdienen.
G’sund: 1950 bekamen Sie ein staatliches Auslandsstipendium und gingen nach Paris.
Pillhofer: Fritz Wotruba hat mich sehr gefördert. Ich konnte über das Französische Kulturinstitut in Wien mit einem französischen Staatsstipendium ein Jahr nach
Paris gehen. Dort war ich zuerst an der „Ecole des Beaux Arts“. Aber nach drei Tagen wechselte ich in die „Academia de la Grande Chaumiere“ am Montparnasse, wo ich in die Bildhauerklasse des
führenden Kubisten Ossip Zadkine eintrat.
G’sund: In dieser Zeit in Paris haben Sie sicher sehr viele interessante Menschen und Künstler kennen gelernt?
Pillhofer: Paris war einer der wichtigsten Abschnitte in meinem Leben. Ich lernte Künstler wie die Bildhauer Constantin Brancusi, Henri Laurens, Alberto
Ciacometti kennen. Der Dichter Paul Celan und die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann wurden sehr gute Freunde von mir, mit denen ich viel Zeit verbrachte. Sehr beeindruckend war es, Pablo Picasso zu
sehen. Ich besuchte mit der Literaturwissenschaftlerin Anna Demus die Galerie Kahnweiler, als eine Limousine vorfuhr und jemand in einem gestreiften Leiberl ausstieg. Es war Picasso. In Paris hatte
ich auch meine 1. Personalausstellung in der Galerie Silvagni. 1957 ging ich mit einem Stipendium noch für drei Monate nach Rom.
G’sund: Sie haben so viele interessante Menschen und Persönlichkeiten kennengelernt. Wer hat Sie am meisten beeindruckt.
Pillhofer: Ich war 1992 mit Prof. Rosenmayer, dem bekannten Feldforscher, während eines Afrika- Aufenthaltes in Mali. Dort habe ich den damaligen Präsidenten
Alpha Oumar Konaré kennengelernt, der mich sehr beeindruckt hat. Vor ca. drei Jahren habe ich Ernst Kovacic, einen der weltbesten Geiger, kennengelernt und es entstand eine interessante neue
Freundschaft.
G’sund: 1951 kamen Sie zurück nach Österreich und heirateten.
Pillhofer: Ja, meine Frau Waltraut ist Biologin und hat mir vier Kinder geschenkt, zwei Mädchen und zwei Buben.
G’sund: Sind diese auch künstlerisch tätig?
Pillhofer: Ja, Christine ist Bildhauerin und Susanna ist Geigerin. Markus ist Architekt und Ulrich ist Geometer und spielt verschiedene Instrumente.
G’sund: Sie hatten 1952 ihre erste Ausstellung in Wien, in der Galerie Würthle, 1954 begannen Sie Ihre Lehrtätigkeit an der Wiener Akademie für bildende Künste.
1955 wurden Sie Mitglied der Wiener Sezession, kurzzeitig waren Sie auch deren Vizepräsident. Von 1970 bis 1981 übernahmen Sie dann die Meisterklasse an der Grazer Kunstgewerbeschule.
Pillhofer: (schmunzelnd) Ja, und dann habe ich von 1972 bis 1974 künstlerisches Gestalten an der TU Graz unterrichtet und war 1986 Gastprofessor an der
Sommerakademie in Salzburg.
G’sund: Sie bekamen in Ihrem Leben viele Auszeichnungen, welche waren für Sie die wichtigsten?
Pillhofer: Das waren der Österreichische Staatspreis 1968, der Preis der Stadt Wien 1979, aber auch das Große Ehrenzeichen des Landes Steiermark, das ich 1996
bekam.
G’sund: Herr Professor, Sie haben ja schon weltweit sehr viele Ausstellungen gehabt und sind weltweit auch in Museen und Skulpturenparks vertreten. Welche
davon sind für Sie sehr wichtig?
Pillhofer: Spannend war für mich beispielsweise meine erste Teilnahme an der Biennale 1954 in Venedig, für die mich der Architekt Josef Hoffmann empfohlen hat.
1956 war ich wieder auf der Biennale in Venedig. 1956 und 1961 war ich im Musee Rodin in Paris. Stolz bin ich auch, dass fünf Skulpturen von mir im Storm King Art Center in New York stehen.
G’sund: Ja, und dann sind Sie noch u.a. vertreten in der Österreichischen Galerie, in der Graphischen Sammlung der Albertina und in der Neuen Galerie am
Landesmuseum Joanneum in Graz, in Tokyo im Nipputen Museum, im Freilichtmuseum in Montreal, mit überlebensgroßen Steinskulpturen im Freilichtmuseum in Assuan, und …
Pillhofer: (lächelnd) Schön war auch die Ausstellung 2007 im Belvedere in Wien, wo von mir drei Skulpturen standen. Und daneben standen drei Skulpturen von Henry
Laurens. Aber auch meine Ausstellungen in Mürzzuschlag. 1947 wurde der Art Club in Wien von Albert Paris Gütersloh gegründet, eine Plattform für junge Maler, Bildhauer, Autoren und Musiker. Dieser
wurde damals „Die phantastischen Realisten“ genannt. Unter anderen waren Fritz Wotruba und Herbert Böckl Mitglieder, bis sich der Art Club 1959 auflöste.
G’sund: Welche sind Ihre aktuellen Projekte?
Pillhofer: Aktuell ist natürlich meine Museumshalle im steirischen Neuberg, wo am 19. Juni wieder eine Ausstellung von mir stattfinden wird. In Neuhaus in
Kärnten, an der Grenze zu Slowenien, baut der heimische Industrielle Herbert W. Liaunig ein Museum für seine Privatsammlung. Vor dem Eingang wird eine 6 m hohe Skulptur aus Eisen von mir stehen.
Diese ist gerade in Arbeit und ist meine bisher größte Skulptur.
G’sund: Und was, Herr Professor, würden Sie in Ihrem Leben noch gerne machen?
Pillhofer: Gerne würde ich noch eine Steinskulptur machen. Ich möchte mich weiter auseinandersetzen mit der menschlichen Figur im realistischen Sinn in seiner
Erscheinungsform. Ziel des Bildhauers sollten immer Skulpturen im Sinne der Darstellung einer menschlichen Gestalt sein.
Veröffentlicht: Professor Josef Pillhofer: "Ich bin ein Steirer". Hedi Grager im Interview mit einem der bedeutendsten österreichischen Bildhauer. In: Gsund. Die besten Seiten der KAGes.
Nr. 58 Juni 2008. Seite 64 - 65.
Quelle: Langfassung in www.gsund.net.
"Meine Arbeit hat mich gelehrt, dass die Bestimmung einer endgültigen Form von der Vorstellung eines inneren Zentrums, dem alle bildnerischen Verhältnisse zugeordnet sein müssen, abhängt. Der
Umriss, die Silhouette, ist die Begrenzung, welche von innen her bestimmt wird und der Masse der Materie zu einem harmonischen Erscheinungsbild verhilft."
Quelle: Text auf der Titelseite des Katalogs "Realität und Abstraktion". Erschienen anlässlich der Ausstellung vom 19. Juni bis 27.
Juli 2008 in der Pillhofer Halle in der Marktemeinde Neuberg an der Mürz im Rahmen
'Brücken in die Gegenwart 2008. Ein Fest des kunsthauses muerz.'
Diese Foto-Erinnerungen an Prof. Josef Pillhofer stammen aus 2008. Sie sind in der Pillhofer Halle in Neuberg an der Mürz und in seinem (damaligen) Staatsatelier in Wien
entstanden.
Diese Publikation über das Storm King Art Center, eines der weltweit größten Freilichtmuseen mit Nachkriegs-Skulpturen international renommierter Künstler, lag Prof.
Pillhofer besonders am Herzen.
Auf einem Areal von etwa 500 Hektar mit Rasenflächen, Feldern und Wäldern steht auch eine seiner Skulpturen:
Archaic Stone (Archaischer Stein), 1964 [Limestone: 7 ft. 7 in. x 21 in. x 16 in. bzw. Kalkstein: 231,1 x 53,3 x 40,6 cm]