Piemont. Eine Region zwischen Alpen und Po-Ebene
Das Piemont in der nordwestlichen Ecke Italiens ist nach Sizilien die flächenmäßig größte Region Italiens. Sie grenzt im Norden an die Schweiz und im Westen an Frankreich. Neben der prachtvollen Hauptstadt Turin umfasst der Reigen reizvoller Städte bekannte Namen wie Alessandria, Asti, Biella, Cuneo, Novara oder Vercelli.
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- Turin. Spannende Architektur und köstliche Antpasti
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Turin. Architektur, Arkaden, Aperitivo und Antipasti
Text: Reinhard A. Sudy
Fotos: Hedi Grager, Reinhard A. Sudy
Die Hauptstadt der im Nordwesten Italiens gelegenen Region Piemont ist mit einer Million Einwohnern die viertgrößte Stadt Italiens und hat einiges zu bieten. Viele verbinden mit Turin die Automobilindustrie (Fiat-Werke) und noch mehr wohl den Fußball (FC Turino und Juventus Turin). Als ich im Sommer 2006 zum ersten Mal diese prächtige, etwas abseits gelegene Stadt am Po besuchte, wollte sie gerade mit Hilfe der Olympischen Winterspiele zu einer Touristen-Metropole werden. Dabei war es gerade ein besonderer Reiz von Turin, daß die Touristen nicht spürbar waren. Ich habe das damals sehr genossen, als ich mit meiner Frau von unserem Hotel gleich beim Bahnhof Porta Nuova unter den Arkaden der Via Roma in das Zentrum spazierte. Dafür wurde die temperamentvolle Abschluss-Kundgebung auf der Piazza San Carlo nach einem von dröhnenden Trommeln unterstützten Demonstrations-Marsch durch die Innenstadt zu einem mehr als stimmungsvollen Erlebnis.
Erst der Regen brachte mich nach Turin
Auf all meinen Fahrten nach und durch Italien war die Zeit für einen 'Abstecher' nach Turin doch zu knapp gewesen oder ich hatte eine andere Ausrede. Erst ein Regen beim Frühstück in Cormòns trieb mich und meine Frau weiter nach Westen. Auf der Autobahn ging es im strömenden Regen vorbei an Venedig, Padua, Vicenza und auch in Verona war der Himmel noch immer wolkenverhangen. Noch 160 km bis nach Mailand - wir entschieden uns, mit dem flotten Tempo der italienischen Autofahrer mitzuhalten und unser verlängertes Wochenende in dieser Modemetropole zu verbringen, die wir erst einmal kurz besucht hatten. Knapp davor sahen wir uns fragend, zögernd an, als wir auf einer Anzeigetafel 'Turino 140 km' lasen. Ja, so weit war es dann auch nicht mehr, die Sonne war inzwischen hervorgekommen und die Tage in Turin wurden zu beeindruckenden und unvergesslichen Erinnerungen.
Arkaden und Architektur
Die etwa 18 Kilometer langen, breiten Arkadenwege mit Geschäften und Cafés sind ein wichtiger Schauplatz des Turiner Lebens. Beeindruckend sind beispielsweise die Arkadengänge der Via Roma, die vom
Bahnhof 'Stazione Porta Nuova' zum Zentrum der Stadt, dem Piazza Castello, führen, und die sich dann gleich weiter entlang der Via Po bis zur Piazza Vittorio Veneto am Ufer des Po erstrecken. Neben
diesen endlosen Arkadengängen beeindrucken aber auch die ebenso endlos langen, von Linden- und Kastanien-Bäumen gesäumten 'Corsi' der Turiner Innenstadt, wie z. B. der Corso Re Umberto oder der Corso
Galileo Ferraris mit ihren barocken oder mit Jugendstilfassaden geschmückten Gebäuden. Prachtvolle Residenzen, zahlreiche, teils auch düstere Kirchen, Museen und die vielen kleinen und gewaltigen
Plätze prägen den Stadtkern. Und einige Paläste und Schlösser in der Umgebung von Turin, wie beispielsweise das Jagdschloss von Stupingi, wurden von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Empfehlenswerte Einkaufsstraßen
Verkehr
Die überwiegend rechtwinkelig angeordneten Straßen Turins erleichterten mir das Zurechtfinden zwar sehr, der zeitweise heftige Verkehr und die unbekümmerte Fahrweise der Turiner waren dafür doch
gewöhnungsbedürftig. Die Verkehrsampeln hatten eher nur Orientierungscharakter und sogar die wenigen Radfahrer mieden die Straßen und benutzten vorwiegend die Gehsteige.
Als ein Umschlagplatz für Barolo und weiße Trüffeln ist Turin den Gourmets wohl ebenso bekannt wie als Heimat des berühmten Wermut. Eine angenehme Besonderheit empfand ich die mittags und abends zum Glas Wein, Prosecco oder Campari meist kostenlos angebotenen, varianten- und zahlreichen und köstlichen Antipasti.
Infos & Tipps
- Im Wahrzeichen der Stadt, der gleich oberhalb abgebildeten Mole Antonelliana, ist das Filmmuseum „Museo Nazionale del Cinema“ untergebracht. Die 70 Meter hohe Kuppel des modernen, mit einem spitzen Turm versehenen Gebäudes ist innen weit hinauf begehbar. Ein Muss ist die Fahrt mit dem Glaslift vom Kellergewölbe dieses Prachtbaues mitten durch die mächtige Kuppel und vorbei an den Museumsetagen hinauf zur Aussichtsplattform. Überwältigend ist von hier die Sicht auf die sich tief unten ausbreitende Stadt und die umliegenden Hügellandschaften und Gebirgsketten. [1863 eröffnete Architekt Alessandro Antonelli offiziell die Baustelle dieses Gebäudes, das heute im Kleinstformat auf italienischen Zwei-Cent-Münzen zu sehen ist]
- Sehr reizvoll ist die kleine Kapelle mit der Präsentation des Grabtuchs Christi im Turiner Dom (Chiesa Cattedrale di Turino San Giovanni Battista).
- Ein origineller Szenetreff ab 20.00 Uhr, für Junge und jung Gebliebene, ist das La Drogheria unter den Arkaden der Piazza Vittorio Veneto (18 D). Das ist aber 2006 gewesen.
- Zeitloser sind da schon die historischen Kaffeehäuser, die ich mir für meinen nächsten Turin-Besuch bereits notiert habe - aus: Turin ist unser Haus von Giuseppe Culicchia (2020).
Caffè Al Bicerin | Piazza della Consolata, 5, 10122 Torino
Tel +39 011 4369325
Caffè Fiorio | Via Po, 8, 10121 Torino
Tel +39 011 8173225
info@caffefiorio.it
Caffè Baratti & Milano | Piazza Castello, 29, 10123 Turino
Tel +39 011 4407138
Caffè Mulassano | Piazza Castello, 15, 10121 Torino
Tel. +39 011 547990
info@caffemulassano.com
[hier soll das Tramezzino erfunden worden sein]
Turin print und online
Giuseppe Culicchia. Turin ist unser Haus
2020. Ungemütliches Regenwetter hatte meine Frau und mich 2006 quer durch Oberitalien in den Sonnenschein Turins gebracht. Die Stadt fieberte damals bereits ihren Olympischen Winterspielen entgegen. Neugierig und mit meinen schönen Erinnerungen an diesen zu kurzen Besuch begann ich also im Buch von Giuseppe Culicchia zu lesen. Ich saß dabei in der Nachmittagssonne auf einer Steinstufe vor der Grazer Uni-Bibliothek und bis auf ein paar Scater war es Coronavirus-konform ruhig, als ich in die schräge, witzig und zugleich interessant geschriebene Chronik eintauchte. Sie beginnt im X. Jahrhundert v. Chr. mit einem Blatt, das sich zu regen beginnt, es sich dann aber anders überlegt, und sie endet 2020, als sich der Autor und leidenschaftliche Turiner 'rettungslos in eine Mailänderin verliebt'.
Neben den immer wieder in der Stadt tobenden Debatten zu ... (2009, 2010, 2012, 2013, 2014 und 2015) waren es vor allem vier historische Ereignisse, die für meinen nächsten Turin-Aufenthalt bedeutsam sind: nämlich die Eröffnung der vier ältesten Kaffeehäuser der Stadt.
1763 Café Bicerin
1780 Café Fiorio
1875 Café Baratti & Milano
1907 Café Mulassano
Dann folgte ich dem 'granatroten' Autor auf seinem Weg durch die vielen 'Zimmer' seiner Geburtsstadt, von der Haustür durch den Korridor in die Küche und Vorratskammer und - fast - am Ende in die Garage. Immer dabei eine Charta Torino, ein alter Stadtplan, der mir zeigte, wohin mich der leidenschaftliche Turiner Giuseppe Culicchia mit seinen Erinnerungen, Anekdoten und Beschreibungen brachte. Und er lässt auch andere Turiner von ihrer Stadt und ihrem Leben erzählen: So Gaudenzio Gilioni, den Besitzer des Wein- und Spirituosen-Ladens P.I.A.N.A in der Via Garibaldi 39, der sich immer noch gerne an seine berühmten Kunden wie zum Beispiel die wunderschöne brasilianische Schauspielerin Florinda Bolkan erinnert. Oder Pierangela Guarneri, die er am Ende, genauer zwischen den kurzen Kapiteln 'Ende' und 'Dank' zu Wort kommen und ausführlich von ihrer Arbeit bei der Turiner Stadtreinigung und ihrem Bemühen um die Sauberkeit erzählen lässt.
Turin ist unser Haus. Reise durch die zwanzig Zimmer der Stadt.
Aus dem Italienischen von Julika Brandestini.
Verlag Klaus Wagenbach, 2020. 240 Seiten. Buch 14,00 € / E-Book 9,99 €.